Zeitbezogene Vergütungsoption in den Hausarzt-EBM !
Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM) wird die Gebührenordnung für Kassenärzte genannt.
Deren Macher haben bestimmt, daß die Allgemeinmedizin als ernstzunehmendes Fachgebiet
durch den 5-Minuten-Sprechstunden-Standard zu Grabe getragen wird. Im Jahre 1996 wurde ein faires
Konzept nicht pauschalierter Vergütung von ärztlichen Gesprächszeiten, durch einen verabredeten,
massenhaften Abrechnungsbetrug einiger "Gier-Neider" vereitelt. Dieser schwerwiegende Anschlag auf das
Einkommen kleiner Hausarztpraxen und auf die Volksgesundheit, ist bis heute ungesühnt und dauert noch an.
Gegenwärtig (4/99) haben wir eine Gebührenordnung, die im Wesentlichen nur ein Kriterium für die Höhe
der ärztlichen Vergütung kennt: die Patientenzahl. Dies schafft Probleme in allen Fachgebieten. Ganz
besonders aber in der Allgemeinmedizin. Denn hier stemmt sich dem Vergütungsdumping kein Konsens
der Mindeststandards entgegen. Eine Besonderheit und Stärke der Hausarztmedizin, ihre Individualität und
Vielfalt, bricht
ihr nun das Genick, und die Hausarztkompetenz wird auf niedrigstem Niveau festgeklopft. Wenn dann
die kleinen Praxen schließlich alle bankrott sind, gibt es kaum noch jemanden, der beweisen könnte,
welchen Wert es hätte, wirklich Zeit für den Patienten zu haben.
Ob es die Übersicht erleichtert, bei Problemen immer erst mal alles zu nivellieren? Natürlich sind wir dankbar,
daß es Ärzte gibt, die eine hohe Patientenzahl extrem kostengünstig und zeiteffektiv versorgen. Aber müssen
deswegen die anderen Ärzte, die eine zeitintensivere Arbeitsweise bevorzugen, mit Bankrott bedroht werden?
Warum soll es nur eine Gebührenordnungsphilosophie für nur einen Ärztetypus geben? Warum nicht die Option,
aufgewendete ärztliche Zeit als solche zu berechnen?
Spätestens jetzt wird von den Nutznießern des status-quo das Argument: "es lebe die Marktwirtschaft, die
Patienten stimmen mit den Füßen ab, welche Medizin sie wollen" ins Feld geführt.
Nichts dagegen, wenn viele Patienten mit der 5-Minuten-Sprechstunde ehrlich zufrieden sind. Hohe
Patientenzahlen, das ist unter Ärzten kein Geheimnis, erwirtschaften jene Arztpraxen, die nicht nur
die Gesundheit des Patienten besonders gut fördern, sondern insbesondere jene Ärzte, die der Patienten
Erwartungen erfüllen. Die persönlichen Vorstellungen und Erwartungen des Kranken haben jedoch oft,
mehr als es sich manch einer vorstellen kann, ursächlichen Anteil an seinen Problemen. So ist es nicht
ausgeschlossen, daß der in seinem Problem verharrende Kranke sich besonders dort hingezogen fühlt,
wo keine Zeit ist, seine problemverursachenden Vorstellungen und Erwartungen in Frage zu stellen.
Marktwirtschaft - na klar. Aber dann gebt auch den kleinen Praxen eine Chance ihren Wettbewerbsvorteil
- mehr Zeit für den einzelnen Patienten zu haben - in der Leistungsabrechnung zu realisieren. Oder anders
gesagt: der Schnellimbiß ist beliebt und soll bleiben. Aber hört auf, das Feinschmeckerrestaurant zu
zwingen, Imbiß-Preise zu berechnen.
Wenn ein Restaurant frische, vitaminreiche, fettarme Küche anbietet, würde es bei einer "Abstimmung mit den
Füßen" möglicherweise zunächst auch überstimmt werden (weil es die Erwartungen des
"Durchschnittsgaumens" nicht erfüllt) - damit muß der Gastronom leben. Wenn aber jetzt der Gesetzgeber
(Verordnungsgeber/EBM-Macher) verbietet, daß der gesundheitsbewußte Feinschmecker im Restaurant
mehr bezahlt als beim Imbiß, handelt es sich mit Sicherheit nicht mehr um marktwirtschaftliches Denken.
Peter Hach (3. April 1999)